Im Schein flackernder Bühnenlichtstrahler taucht der Umriss einer Hammond-Orgel auf, während Hände über die Pfeifen tanzen. Der warme Rotary-Schwung des Leslie-Lautsprechers trägt das erste vibrierende Bassmotiv davon, noch ehe der Rest der Band einsetzt: ein Klanggewebe aus Jazz, Rock und Soul, das den Raum auflädt. So beginnt die Reise von Brian Auger’s Oblivion Express – nicht als romantische Verklärung, sondern als ruppig-sinnliches Zusammentreffen von Virtuosität und Groove, bei dem jeder Ton verrät, dass hier Künstler am Werk sind, die ihre Klangvision kompromisslos verwirklichen.
I. Einführung: Die Bühne bereiten – Brian Augers musikalische Reise und die Geburt des Oblivion Express
Brian Augers Weg in die Welt der Musik begann früh und war von einer tiefen Faszination für den Jazz geprägt. Sein älterer Bruder besaß eine umfangreiche Sammlung von Jazzplatten, die Augers frühe musikalische Interessen maßgeblich beeinflussten. Diese frühe Begegnung mit Künstlern wie Duke Ellington, Count Basie und Oscar Peterson legte den Grundstein für seine späteren Experimente im Bereich der Fusion. Auger war ein Autodidakt am Klavier und widmete sich zunächst dem traditionellen Jazz. Sein Talent wurde bereits 1964 anerkannt, als er die Leserumfrage des Melody Maker im Bereich Jazz gewann. In der Folge erweiterte er sein musikalisches Spektrum in Richtung R&B und Soul und gründete die Brian Auger Trinity. Seine Vielseitigkeit zeigte sich auch in seiner Arbeit als Sessionmusiker, unter anderem spielte er 1965 das Cembalo auf dem Hit „For Your Love“ der Yardbirds.
Ein weiterer wichtiger Schritt in Augers musikalischer Entwicklung war die Gründung von The Steampacket zusammen mit Rod Stewart, Long John Baldry und Julie Driscoll. Diese Formation stellte eine bedeutende Phase dar, in der R&B, Blues und frühe Rockelemente verschmolzen, was bereits die Fusionstendenzen des späteren Oblivion Express erahnen ließ. Mit Julie Driscoll und der Trinity feierte Auger erste größere Erfolge, darunter der UK-Chart-Hit mit ihrer Coverversion von Bob Dylans „This Wheel’s on Fire“. Die Band trat 1969 auch in der NBC-Sondersendung 33⅓ Revolutions Per Monkee auf. Nach dem Album Streetnoise im Jahr 1969 endete die Zusammenarbeit mit Julie Driscoll.
II. Die prägenden Jahre (1970-1972): Die ursprüngliche Besetzung, das Debütalbum und die Entstehung des charakteristischen Sounds
Nach der Auflösung von Brian Auger & The Trinity im Jahr 1970 formierte Auger Brian Auger’s Oblivion Express. Kurz zuvor hatte er das kurzlebige Jazz-Fusion-Kommune-Projekt „Wassenaar Arrangement“ in Den Haag verlassen. Der Name „Oblivion Express“ wurde von Auger mit einem Augenzwinkern gewählt, da er das Gefühl hatte, mit dieser musikalischen Ausrichtung gegen den kommerziellen Mainstream zu schwimmen. Die ursprüngliche Besetzung der Band bestand aus Brian Auger an den Keyboards, Jim Mullen an der Gitarre, Barry Dean am Bass und Robbie McIntosh am Schlagzeug. Es war auch geplant, dass der Saxophonist Alan Skidmore der Gruppe beitreten sollte.
Das selbstbetitelte Debütalbum Brian Auger’s Oblivion Express erschien 1971 bei RCA Victor. Es enthielt eine Mischung aus Augers Kompositionen wie „The Light“, „The Sword“ und „Oblivion Express“, eine Komposition von John McLaughlin mit dem Titel „Dragon Song“ sowie „Total Eclipse“, geschrieben von Roger Ball, der später bei der Average White Band spielte. Jim Mullen war Co-Autor des Stücks „On the Road“. Produziert wurde das Album von Auger selbst, während Eddie Offord, bekannt für seine Arbeit mit ELP und Yes, als Toningenieur fungierte. Der Sound des Albums wurde als Rock-Jam-Band-artig beschrieben. Kritiker lobten die Energie und die gelungene Verbindung von Jazz und Rock.
Das zweite Album, A Better Land, folgte noch im selben Jahr, ebenfalls bei RCA Victor. Es präsentierte eine andere Seite der Band, mit weicheren Arrangements, ruhigeren Klängen und zurückhaltenden Harmonien, die oft zwischen Folk- und Lounge-Stilen changierten. Das Album enthielt Kompositionen von Auger und Mullen („Dawn of Another Day“, „Trouble“, „On Thinking It Over“), Augers „Tomorrow City“ sowie Mullens Arrangement des traditionellen Stücks „Marai’s Wedding“. Zudem enthielt A Better Land vier Co-Kompositionen von Mullen mit anderen Musikern, darunter Alan Gorrie, der später Mitglied der Average White Band wurde.
Das dritte Album, Second Wind, wurde 1972 bei RCA Victor veröffentlicht. Es markierte das Debüt des Sängers Alex Ligertwood. Ligertwood wurde am 18. Dezember 1946 in Glasgow, Schottland, geboren und war zuvor Mitglied der Band The Senate. Später wurde er als Leadsänger von Santana bekannt. Second Wind hatte einen deutlich funkigeren Charakter und enthielt Ligertwoods Originale „Truth“ und „Somebody Help Us“. Dieses Album war das erste der Band, das in den US-Charts vertreten war.
III. Entwicklung und Expansion (1973-1976): Wichtige Personalwechsel, sich wandelnde musikalische Landschaften und wegweisende Alben
Das Album Closer To It!, veröffentlicht 1973 bei RCA Victor , zeigte Einflüsse der Weltmusik und enthielt eine Coverversion von Marvin Gayes „Inner City Blues“. Zudem war Augers Eigenkomposition „Happiness Is Just Around the Bend“ enthalten. Dieses Stück entwickelte sich zu einer von Augers bekanntesten Kompositionen. Das Album erreichte die US-amerikanischen Jazz- und R&B-Charts. Das Cover zeigte das ikonische Oblivion Express-Zuglogo, das von Augers Frau Ella entworfen wurde.
Das Album Straight Ahead erschien 1974, ebenfalls bei RCA Victor. Es präsentierte einen jazzigen Funk-Sound mit einer Coverversion von Wes Montgomerys „Bumpin‘ on Sunset“. Auch dieses Album konnte sich in den US-amerikanischen Jazz- und R&B-Charts platzieren. Neu in der Band war der Schlagzeuger Steve Ferrone , geboren am 25. April 1950 in Brighton, Sussex, England. Er ersetzte Robbie McIntosh. Ferrone sollte später auch Mitglied der Average White Band werden und ist bekannt für seine Arbeit mit Tom Petty and the Heartbreakers.
Mit den Live-Alben Live Oblivion, Vol. 1 (1974) und Vol. 2 (1976), beide veröffentlicht bei RCA Victor , wurde die energiegeladene Live-Performance der Band dokumentiert. Die Alben enthielten ausgedehnte Improvisationen und Coverversionen wie Eddie Harris‘ „Freedom Jazz Dance“ und Wes Montgomerys „Bumpin‘ On Sunset“. Vol. 1 wurde im The Whisky in Hollywood aufgenommen , während Vol. 2 eine Live-Version von Herbie Hancocks „Maiden Voyage“ enthielt.
Das Album Reinforcements erschien 1975 bei RCA Victor. Es zeigte einen Latin-Jazz-Funk-Sound, der an Deodato erinnerte. Das Album enthielt den Titel „Something Out of Nothing“ und zeichnete sich durch den Einsatz von Moog-Synthesizern und Streichinstrumenten aus. Alex Ligertwood war wieder Teil der Band. Das Cover zeigte die Band mit ihren kleinen Kindern.
IV. Das Live-Erlebnis: Energie und Improvisation von Oblivion Express im Konzert
Brian Auger’s Oblivion Express war bekannt für seine energiegeladenen und fesselnden Live-Shows. Ihr Sound kombinierte auf unverkennbare Weise Jazz, Rock, Soul und Funk. Augers dynamisches Hammond-B3-Spiel stand dabei stets im Mittelpunkt. Die Konzerte der Band waren geprägt von ausgedehnten instrumentalen Jams und Improvisationen. Sie traten als Vorband für Größen wie Herbie Hancocks Headhunters, ZZ Top und Led Zeppelin auf. Die Nachfrage nach weiteren Auftritten war groß , was ihren Ruf als exzellente Live-Band unterstreicht.
Bemerkenswerte Live-Aufnahmen und Auftritte umfassen die 1971 in Europa von WDR und INA festgehaltenen Performances , ein komplettes Konzert von 1975 aus dem Winterland in San Francisco , Auftritte im Baked Potato (2005) und Live in Los Angeles mit Alex Ligertwood (2014). Auch beim KJAZZ Festival in Los Angeles trat die Band 2014 auf. Diese Aufzeichnungen und Auftritte dokumentieren die Energie und die improvisatorische Freiheit, die die Konzerte von Oblivion Express auszeichneten.
V. Spätere Inkarnationen und Vermächtnis: Die Wiederbelebung der Band und ihr nachhaltiger Einfluss auf nachfolgende Musikergenerationen
Um 1979 legte der Oblivion Express eine Pause ein. Im Jahr 2005 wurde die Band mit einer neuen Aufnahme und anschließenden Tourneen wiederbelebt. Die neu formierte Gruppe bestand oft aus Brian Auger, seinem Sohn Karma Auger am Schlagzeug und seiner Tochter Savannah Auger am Gesang. Derek Frank spielte in der wiederbelebten Formation Bass. Zu den späteren Alben gehörten Looking in the Eye of the World (2006) und Straight Ahead (2010).
Brian Auger gilt als Schlüsselfigur in der Entstehung des Jazz-Rock-Fusion und als ein Innovator des Hammond B3-Sounds. Er wurde als „The Godfather of Acid Jazz“ gefeiert. Seine Musik wurde von Hip-Hop-Künstlern wie Mos Def, Common, Air und Kid Loco gesampelt. Auger beeinflusste eine Generation von Musikern mit seiner Mischung aus Jazz, Rock, Soul und Funk. Er erhielt eine US Congressional Certificate of Special Recognition für seinen Beitrag zum Jazz. Trotz des fehlenden Mainstream-Pop-Erfolgs in den USA hatte Brian Auger’s Oblivion Express einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluss auf die Musikwelt und inspirierte zahlreiche Künstler verschiedener Genres.
VI. Kollaborationen und Verbindungen: Brian Augers breiteres musikalisches Netzwerk und die Rolle der Band in der Fusion-Szene
Brian Auger arbeitete in seiner Karriere mit zahlreichen namhaften Musikern und Bands zusammen. Bereits in der Frühphase seiner Karriere spielte er mit Rod Stewart, Julie Driscoll und Long John Baldry in The Steampacket. Die Mitglieder Jim Mullen, Robbie McIntosh und Steve Ferrone spielten später in der Average White Band. Alex Ligertwood wurde später der Leadsänger von Santana. Auger produzierte Mogul Thrash, deren Mitglieder später die Average White Band gründeten. Er teilte die Bühne mit Jimi Hendrix und tourte mit Eric Burdon. Schlagzeuger Steve Ferrone spielte auch mit Tom Petty and the Heartbreakers, Eric Clapton und Duran Duran. Auger fungierte auch als Mentor für Mitglieder der Average White Band.
Brian Auger’s Oblivion Express wird der „Jazz-Rock-Flanke“ des progressiven Jazz der frühen 1970er Jahre zugerechnet, neben Bands wie Chicago und Blood, Sweat & Tears. Augers Stil war stärker in Pop und R&B verwurzelt, was seine Fusion zugänglicher machte als die einiger seiner psychedelischeren und mystischeren Zeitgenossen. Die Band verschmolz R&B, Jazz, Soul und Funk zu einem einzigartigen Sound.
VII. Fazit: Eine Retrospektive zur Innovation und Wirkung von Brian Auger’s Oblivion Express
Brian Auger’s Oblivion Express war eine wegweisende Kraft im Jazz-Fusion-Genre, die auf innovative Weise verschiedene musikalische Stile miteinander verband. Die Band präsentierte außergewöhnliche musikalische Talente, insbesondere Augers meisterhaftes Hammond-Orgelspiel. Obwohl der kommerzielle Erfolg in bestimmten Märkten begrenzt blieb, erreichte die Band eine treue Anhängerschaft und beeinflusste zahlreiche Musiker. Oblivion Express diente als Sprungbrett für viele erfolgreiche Musiker und trug maßgeblich zur Entwicklung des Acid Jazz bei. Ihr genreübergreifender Ansatz und Augers innovatives Spiel sicherten der Band einen bleibenden Platz in der Geschichte der Jazz-Fusion-Musik.
Diskografie von Brian Auger’s Oblivion Express
-
Brian Auger’s Oblivion Express (RCA Victor, 1970 [1971])
-
A Better Land (RCA Victor, 1971)
-
Second Wind (RCA Victor, 1972)
-
Closer to It! (RCA Victor, 1973)
-
Straight Ahead (RCA Victor, 1973 [1974])
-
Live Oblivion, Vol. 1 (RCA Victor, 1974)
-
Live Oblivion, Vol. 2 (RCA Victor, 1974 [1976])
-
Reinforcements (RCA Victor, 1975)
-
Happiness Heartaches (Warner Bros., 1977)
-
Keys to the Heart (One Way, 1987 [1996])
-
Voices of Other Times (Sanctuary, 1999)
-
Looking in the Eye of the World (Ghostown, 2005)
-
Live at the Baked Potato (Ghostown, 2005)
-
Live in Los Angeles (feat. Alex Ligertwood) (Soul Bank Music, 10/2015)
-
Looking in the Eye of the World [Reissue] (Soul Bank Music, 4/2022)
-
Voices of Other Times [Reissue] (Soul Bank Music, 5/2022)
-
Keys to the Heart [Reissue] (Soul Bank Music, 5/2022)
-
Brian Auger’s Oblivion Express Play the Trinity Hits (feat. Savannah Grace) (Soul Bank Music, 7/2022)
Im Artikel verwendete Fotos stehen unter Lizenz von:
Paulhus15, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons
Eric Koch for Anefo, CC0, via Wikimedia Commons
Alle Beiträge auf unserer Webpage Xenopolias.de sind in allen gängigen Sprachen verfügbar.
All articles on our webpage Xenopolias.de are available in all common languages.