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Ash Ra Tempel: Eine Kosmische Odyssee | Biografie von Franz Lemmler

Ash Ra Tempel

Eine kosmische Odyssee durch den Krautrock

Einleitung: Die Geburt einer kosmischen Vision

Ash Ra Tempel war nicht nur eine Band; sie war ein Phänomen, ein musikalisches Laboratorium und eine der tragenden Säulen der Bewegung, die später als **Krautrock** in die Musikgeschichte eingehen sollte. Gegründet im pulsierenden, von der Gegenkultur geprägten West-Berlin des Jahres 1970, verkörperte die Gruppe den radikalen Bruch mit anglo-amerikanischen Rocktraditionen und den Aufbruch in neue, unerforschte Klangwelten. Angeführt vom visionären Gitarristen **Manuel Göttsching**, schuf die Band einen Sound, der von ausgedehnten, hypnotischen Improvisationen, psychedelischen Klanglandschaften und einer tiefen Sehnsucht nach dem Kosmischen geprägt war. Ihre Musik war der Soundtrack zu einer Zeit des Umbruchs, ein Ausdruck künstlerischer Freiheit und ein Wegbereiter für Genres wie Ambient, Space Rock und elektronische Musik.

Die Geschichte von Ash Ra Tempel ist eine von ständiger Metamorphose. Von der rohen, fast anarchischen Energie des Gründungs-Trios mit Göttsching, **Hartmut Enke** und dem späteren Elektronik-Pionier **Klaus Schulze**, über die skandalumwitterte Zusammenarbeit mit dem LSD-Guru **Timothy Leary**, bis hin zur Entwicklung zu Göttschings Soloprojekt und dem späteren Übergang zu **Ashra**. Jeder Schritt dieser Reise war geprägt von personellen Wechseln, stilistischen Neuausrichtungen und dem unermüdlichen Streben, musikalische Grenzen zu sprengen. Diese Webseite lädt Sie ein, tief in die Welt von Ash Ra Tempel einzutauchen – eine Welt voller Mythen, Meilensteine und Musik, die bis heute nichts von ihrer transzendentalen Kraft verloren hat.

Interaktive Zeitleiste der wichtigsten Ereignisse und Veröffentlichungen von Ash Ra Tempel.

Die Geschichte: Von Blues-Wurzeln zu kosmischen Sphären

Gründung und frühe Erkundungen (1970–1971): Das Ur-Trio

Die Wurzeln von Ash Ra Tempel reichen bis ins Jahr 1967 zurück. Damals gründeten der 17-jährige Manuel Göttsching und der gerade 15 gewordene Hartmut Enke ihre erste gemeinsame Band. Inspiriert von britischen Blues-Rock-Größen wie John Mayall, Eric Clapton und Peter Green, nannten sie sich die **Steeple Chase Blues Band**. Doch das West-Berlin der späten 60er Jahre war ein Schmelztiegel für weitaus radikalere Ideen. Die Stadt war eine Insel der Freiheit, ein Zufluchtsort für Kriegsdienstverweigerer und ein Zentrum der Studentenbewegung und der psychedelischen Gegenkultur. Dieses Umfeld, in dem Bands wie Tangerine Dream und Amon Düül II bereits begannen, die Konventionen des Rock zu demontieren, beeinflusste auch Göttsching und Enke nachhaltig. Ihre musikalische Reise führte sie zu Conrad Schnitzlers kurzlebiger, aber einflussreicher Formation **Eruption**, wo sie auf einen weiteren musikalischen Freigeist trafen: **Klaus Schulze**. Schulze, der gerade bei Tangerine Dream ausgestiegen war, weil ihm deren Entwicklung zu kommerziell erschien, teilte die Vision von einer kompromisslosen, improvisierten Musik.

Der entscheidende Funke für die Gründung von Ash Ra Tempel zündete im Sommer 1970. Hartmut Enke hatte in London gebrauchtes Sound-Equipment von Pink Floyd erworben – massive WEM-Verstärker, die einen gewaltigen Klang versprachen. Als Schulze diese Verstärkertürme sah, war die Sache klar. Innerhalb von zwei Wochen stellten sie ein Set auf die Beine und gaben ihr erstes Konzert. Der Name „Ash Ra Tempel“ selbst spiegelte ihre Ambitionen wider: „Ash“ (Asche) als Symbol für die Zerstörung des Alten, „Ra“ als Verweis auf den ägyptischen Sonnengott und die kosmische Energie, und „Tempel“ als heiliger Raum für ihre musikalischen Rituale. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum, aufgenommen im März 1971 und produziert von der Krautrock-Legende **Conny Plank**, wurde zu einem Meilenstein. Es bestand aus nur zwei seitenlangen Stücken: **„Amboss“**, ein eruptiver, fast gewalttätiger Ausbruch aus Gitarrenfeedback und treibendem Schlagzeug, und **„Traummaschine“**, eine schwebende, meditative Klangreise. Dieses Yin-und-Yang-Konzept – die Dualität von brachialer Kraft und ätherischer Schönheit – sollte zum Markenzeichen ihrer frühen Phase werden und definierte einen Eckpfeiler des Space Rock.

Wandel und Kollaborationen (1972–1973): Die Leary-Affäre und Join Inn

Die kreative Einheit des Ur-Trios war intensiv, aber kurzlebig. Klaus Schulze, dessen Ambitionen immer stärker in Richtung reiner Elektronik gingen, verließ die Band bereits nach dem ersten Album, um eine der produktivsten und einflussreichsten Solokarrieren der elektronischen Musik zu starten. Für das zweite Album, **„Schwingungen“** (1972), übernahm Wolfgang Müller das Schlagzeug. Das Album offenbarte eine neue Facette der Band. Während die eine Seite weiterhin kosmische Klanglandschaften erkundete, präsentierte die andere mit „Darkness: Flowers Must Die“ einen düsteren, fast apokalyptischen Song. Die „paranoid-schizophrenen“ Vocals des Gastes John L., gepaart mit Göttschings wütendem Gitarrensolo, sorgten für Kontroversen, zeigten aber auch die Bereitschaft der Band, extreme und verstörende Emotionen in ihre Musik zu integrieren.

Der wohl berüchtigtste Moment in der Bandgeschichte ereignete sich 1972. Die Band wurde in die Schweiz eingeladen, um mit dem exilierten Psychedelic-Guru **Timothy Leary** ein Album aufzunehmen. Leary, der „Hohepriester des LSD“, war aus einem US-Gefängnis geflohen und genoss politisches Asyl in der Schweiz, stets in Furcht vor der CIA. Das Ergebnis dieser bizarren Kollaboration war das Album **„Seven Up“**. Musikalisch war es eine chaotische Session, in der Learys gesprochene und gesungene Texte über improvisierte Jams der Band gelegt wurden. Obwohl von Kritikern oft als musikalisches Kuriosum abgetan, ist „Seven Up“ ein faszinierendes Zeitdokument. Es zementierte den Ruf von Ash Ra Tempel als feste Größe der internationalen Gegenkultur und verband den deutschen Krautrock direkt mit der amerikanischen Psychedelia-Bewegung. Die Aufnahme war von Paranoia und Drogenkonsum geprägt, was dem Album eine unheimliche und unvorhersehbare Atmosphäre verleiht.

Im Februar 1973 kam es zu einer überraschenden, aber kurzen Wiedervereinigung des Originaltrios. Klaus Schulze kehrte für die Aufnahmen zum Album **„Join Inn“** zurück. Dieses Album wird oft als die Quintessenz der frühen Ash Ra Tempel angesehen. Es fasste die beiden Pole ihres Schaffens perfekt zusammen: **„Freak ’n‘ Roll“** war ein wilder, ausufernder Krautrock-Jam, der an die Energie von „Amboss“ anknüpfte, während **„Jenseits“** eine der erhabensten und schönsten kosmischen Klanglandschaften war, die die Band je schuf. Mit der Sängerin Rosi Müller (Göttschings damalige Freundin) kam zudem eine neue, sanftere vokale Komponente hinzu. Doch dieser kreative Höhepunkt war zugleich ein Abschied. Nach den Aufnahmen verließen sowohl Schulze (diesmal endgültig) als auch Gründungsmitglied Hartmut Enke die Band. Enke, desillusioniert vom Musikgeschäft und möglicherweise von den intensiven Erfahrungen der letzten Jahre, zog sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Dies markierte das Ende der ersten Ära von Ash Ra Tempel und zwang Manuel Göttsching, die Zukunft der Band neu zu definieren.

Die Ära Göttsching und der Übergang zu Ashra (1973–1976)

Mit dem Ausstieg von Enke und Schulze wurde Ash Ra Tempel faktisch zu Manuel Göttschings Soloprojekt. Das Album **„Starring Rosi“** (1973) wurde bereits hauptsächlich von Göttsching und Rosi Müller eingespielt, unterstützt von Harald Grosskopf am Schlagzeug und dem Produzenten Dieter Dierks am Bass. Der Sound wurde zugänglicher, songorientierter und rhythmischer, ohne jedoch die psychedelischen Wurzeln komplett zu kappen. Es war ein Übergangsalbum, das den Weg für Göttschings zukünftige musikalische Ausrichtung ebnete.

Ein entscheidender Wendepunkt kam 1974. Göttsching entdeckte die amerikanische Minimal Music von Komponisten wie **Terry Riley** und **Steve Reich**. Diese repetitive, aber sich langsam entwickelnde Musik faszinierte ihn und beeinflusste seinen Kompositionsstil nachhaltig. Er gründete sein eigenes Studio, das Studio Roma in Berlin, um seine Visionen ohne Kompromisse umsetzen zu können. Das erste Ergebnis dieser neuen Phase war das Album **„Inventions for Electric Guitar“** (1975), das er als „Ash Ra Tempel VI“ veröffentlichte. Dieses Werk war revolutionär: Göttsching schuf allein mit seiner Gitarre und zwei Tonbandgeräten komplexe, vielschichtige Klangteppiche. Durch den Einsatz von Echo- und Delay-Effekten baute er Schicht um Schicht auf, erzeugte pulsierende Rhythmen und hypnotische Melodien. Es war ein Meisterwerk der minimalistischen Gitarrenmusik und zeigte Göttschings Entwicklung von einem Rock-Improvisator zu einem sorgfältigen Klangarchitekten.

Der endgültige Übergang manifestierte sich mit dem Album **„New Age of Earth“** (1976). Fast ausschließlich mit Keyboards und Synthesizern eingespielt, war es ein rein elektronisches Werk, das die meditativen und melodischen Aspekte seiner Musik in den Vordergrund stellte. Dieses Album wurde zunächst unter Göttschings Namen veröffentlicht, aber für den internationalen Markt ein Jahr später unter dem neuen Bandnamen **Ashra** wiederveröffentlicht. Die Namensänderung war programmatisch: Sie signalisierte die Abkehr vom rauen, psychedelischen Krautrock des „Tempels“ und die Hinwendung zu einem klareren, strukturierteren und zugänglicheren elektronischen Sound. Ash Ra Tempel war Geschichte, und Ashra war geboren – ein Projekt, mit dem Göttsching in den folgenden Jahrzehnten weitere Meilensteine der elektronischen Musik schaffen sollte.

Die Schlüsselmitglieder: Architekten des Kosmos

Manuel Göttsching (1952–2022)

Manuel Göttsching war das Herz, der Kopf und die Seele von Ash Ra Tempel. Als Gitarrist war er ein Autodidakt von außergewöhnlichem Talent, der die ekstatische Energie von Jimi Hendrix mit der repetitiven Präzision von Terry Riley verband. Seine Spielweise war einzigartig: fließend, melodisch und oft hypnotisch. Er war kein Virtuose im klassischen Sinne, der mit schnellen Soli prahlte, sondern ein Klangmaler, der mit seiner Gitarre weite, atmosphärische Landschaften schuf. Seine frühen Einflüsse reichten von klassischer Musik und amerikanischem Soul bis hin zum britischen Bluesrock. Doch seine wahre Bestimmung fand er in der experimentellen Musik. Er war einer der Hauptvertreter der **Berliner Schule der elektronischen Musik**, zusammen mit Klaus Schulze und Edgar Froese von Tangerine Dream. Diese Schule zeichnete sich durch lange, sich entwickelnde Kompositionen, den Einsatz von Sequenzern und eine kosmische Ästhetik aus.

Göttschings kreativer Prozess war eine Mischung aus akribischer Vorbereitung und spontaner Ausführung. Sein Studio war sein Heiligtum, in dem er nächtelang an neuen Klängen und Strukturen feilte. Sein Credo „Mein Leben ist Musik. Und meine Musik ist mein Charakter“ verdeutlicht den zutiefst persönlichen Antrieb hinter seiner Kunst. Nach der Ash Ra Tempel-Ära führte er das Projekt Ashra erfolgreich weiter und schuf 1981 mit **„E2-E4“** ein bahnbrechendes Werk, das als einer der wichtigsten Vorläufer von House und Techno gilt. Über die Musik hinaus war Göttsching ein vielseitiger Künstler. Er komponierte für Modenschauen, arbeitete an Filmprojekten mit seiner Frau Ilona Ziok und behielt durch sein eigenes Label MG.ART stets die volle Kontrolle über sein künstlerisches Erbe. Sein Tod im Dezember 2022 hinterließ eine unschließbare Lücke in der Welt der progressiven und elektronischen Musik.

Hartmut Enke (1952–2005)

Hartmut „Hawk“ Enke war der stille Anker in der stürmischen See der frühen Ash Ra Tempel. Als Bassist lieferte er das grollende, pulsierende Fundament, über dem sich Göttschings Gitarrenexkursionen und Schulzes Schlagzeuggewitter entfalten konnten. Seine Basslinien waren oft einfach und repetitiv, aber gerade diese hypnotische Qualität war entscheidend für den Sog, den die Musik der Band entwickelte. Er war Göttschings engster musikalischer Weggefährte seit Teenagertagen und teilte dessen frühe Liebe zum Blues. Enke war mehr als nur ein Bassist; er war ein integraler Bestandteil des kreativen Prozesses, der auch an Gitarre und Synthesizer experimentierte.

Sein Beitrag zu den Alben „Ash Ra Tempel“, „Schwingungen“, „Seven Up“ und „Join Inn“ ist fundamental. Doch die Intensität des Lebens im Epizentrum der Krautrock-Bewegung forderte ihren Tribut. Im Februar 1973, auf dem Höhepunkt des kreativen Schaffens der Band, traf Enke die radikale Entscheidung, dem Musikgeschäft für immer den Rücken zu kehren. Die genauen Gründe für seinen Rückzug sind nie vollständig geklärt worden, aber es wird vermutet, dass eine Mischung aus persönlicher Erschöpfung, Desillusionierung und möglicherweise die exzessiven Erfahrungen der Zeit eine Rolle spielten. Er lebte fortan ein zurückgezogenes Leben, fernab der Öffentlichkeit. An der Wiedervereinigung von Ash Ra Tempel im Jahr 2000 nahm er nicht teil. Hartmut Enke verstarb im Dezember 2005 im Alter von nur 53 Jahren. Sein früher Rückzug und Tod verleihen der Geschichte von Ash Ra Tempel eine tragische Note.

Klaus Schulze (1947–2022)

Klaus Schulze war die rhythmische Urgewalt und der elektronische Visionär des Gründungs-Trios. Seine Karriere begann als Schlagzeuger, zunächst bei einer frühen Besetzung von Tangerine Dream (zu hören auf deren Debüt „Electronic Meditation“) und dann bei Ash Ra Tempel. Sein Schlagzeugspiel war unkonventionell, frei und von einer fast tribalen Energie. Er spielte keine einfachen Rock-Beats, sondern schuf komplexe, dynamische Rhythmus-Teppiche, die die Musik vorantrieben. Doch schon früh war seine Faszination für elektronische Klangerzeugung spürbar. Er nutzte sein Schlagzeug oft als reinen Impulsgeber für Effektgeräte und begann, mit Orgeln und Synthesizern zu experimentieren.

Sein Engagement bei Ash Ra Tempel war kurz, aber prägend. Nach dem Debütalbum und der kurzen Rückkehr für „Join Inn“ verließ er die Band, um sich ganz seiner Solokarriere zu widmen. Diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig. Schulze wurde zu einem der wichtigsten und produktivsten Pioniere der elektronischen Musik weltweit. Mit über 60 Soloalben schuf er ein monumentales Werk, das die Entwicklung von Ambient, Trance und der Berliner Schule maßgeblich prägte. Seine Musik war geprägt von epischen, orchestralen Klanglandschaften, dem Einsatz von Moog-Synthesizern und Sequenzern und einer tiefen, kosmischen Spiritualität. Obwohl seine Zeit bei Ash Ra Tempel nur eine kurze Episode in seiner langen Karriere war, diente sie als entscheidendes Sprungbrett und zeigte bereits das immense Potenzial dieses Ausnahmekünstlers. Sein Tod im April 2022, nur wenige Monate vor dem von Manuel Göttsching, markierte das endgültige Ende einer Ära für die deutsche elektronische Musik.

Diskografie: Die kosmischen Chroniken

Das aufgenommene Werk von Ash Ra Tempel ist ein Spiegelbild ihrer ständigen Evolution. Von den rohen, improvisierten Jams der Anfangstage bis zu den strukturierten elektronischen Kompositionen der späteren Phase dokumentiert jede Veröffentlichung einen einzigartigen Moment in der musikalischen Reise der Band. Die folgende Liste umfasst die offiziellen Studio- und Live-Alben sowie wichtige Kompilationen.

Studioalben

Jahr Titel Besetzung & Anmerkungen
1971 Ash Ra Tempel Das Debüt. Göttsching, Enke, Schulze. Ein Krautrock-Klassiker mit den Stücken „Amboss“ und „Traummaschine“. Produziert von Conny Plank.
1972 Schwingungen Göttsching, Enke, Wolfgang Müller. Mit Gästen wie John L. Ein düsteres und vielschichtiges Werk.
1973 Seven Up Göttsching, Enke, Schulze & Band mit Timothy Leary. Legendäre und chaotische Kollaboration mit dem LSD-Guru.
1973 Join Inn Die Wiedervereinigung des Originaltrios Göttsching, Enke, Schulze, plus Rosi Müller. Gilt als Quintessenz der frühen Band.
1973 Starring Rosi Göttsching und Rosi Müller, mit Harald Grosskopf und Dieter Dierks. Ein zugänglicheres, songorientierteres Album.
1975 Le Berceau de Cristal Soundtrack zum Film von Philippe Garrel. Eingespielt von Göttsching und Lutz Ulbrich (Agitation Free). Erst 1993 offiziell veröffentlicht.
2000 Friendship Reunion-Album von Göttsching und Klaus Schulze. Eine moderne Interpretation des klassischen Sounds.

Wichtige Soloalben & Übergangswerke

Jahr Künstler Titel Anmerkungen
1975 Manuel Göttsching Inventions for Electric Guitar Veröffentlicht als „Ash Ra Tempel VI“. Göttschings erstes Solo-Meisterwerk und ein Wendepunkt hin zur Minimal Music.
1976 Manuel Göttsching New Age of Earth Rein elektronisches Album, das später als erstes Album unter dem Namen „Ashra“ wiederveröffentlicht wurde und den Übergang markiert.

Live-Alben und Kompilationen

Jahr Titel Anmerkungen
1998 The Best of the Private Tapes Kompilation von bisher unveröffentlichten Demo- und Live-Aufnahmen aus den Archiven von Manuel Göttsching.
2000 Gin Rosé at the Royal Festival Hall Live-Aufnahme des Reunion-Konzerts von Göttsching und Schulze in London. Ein beeindruckendes Dokument ihrer ungebrochenen musikalischen Chemie.

Vermächtnis und Einfluss: Echos im Kosmos

Der Einfluss von Ash Ra Tempel auf die nachfolgenden Generationen von Musikern ist immens und weitreichend, auch wenn er oft subtiler ist als der von Bands wie Kraftwerk oder Can. Ihr Vermächtnis lässt sich in drei Hauptbereichen verorten: im **Space Rock und Psychedelic Rock**, in der **elektronischen Musik und Ambient** und als Wegbereiter für **House und Techno**.

Im Bereich des Space Rock setzten Ash Ra Tempel Maßstäbe. Ihre langen, improvisierten Jams, die kosmische Thematik und die Dualität von aggressiven und meditativen Passagen beeinflussten unzählige Bands, die sich der psychedelischen Musik verschrieben haben. Bands wie Hawkwind in England, aber auch spätere Vertreter des Stoner Rock und Post-Rock haben hörbar Anleihen bei der Klangästhetik von Ash Ra Tempel genommen. Die Art und Weise, wie Göttsching seine Gitarre nicht als reines Melodieinstrument, sondern als Werkzeug zur Erzeugung von Texturen und Atmosphären einsetzte, war wegweisend.

In der elektronischen Musik ist ihr Einfluss noch deutlicher. Als Teil der Berliner Schule trugen sie entscheidend zur Entwicklung eines spezifisch deutschen elektronischen Sounds bei. Göttschings spätere Werke, insbesondere „Inventions for Electric Guitar“ und „New Age of Earth“, sind Meilensteine der Ambient-Musik. Sie zeigten, wie man mit minimalistischen Mitteln maximale emotionale Tiefe und atmosphärische Dichte erzeugen kann. Künstler wie Aphex Twin, The Orb oder Boards of Canada haben die schwebenden, hypnotischen Klanglandschaften von Ash Ra Tempel und Ashra als wichtige Inspirationsquelle genannt.

Der vielleicht überraschendste, aber tiefgreifendste Einfluss manifestierte sich in der Tanzmusik. Manuel Göttschings Soloalbum **„E2-E4“** von 1981, eine 58-minütige, ununterbrochene Komposition, wurde zu einem Kultklassiker in den Clubs von New York, Chicago und Ibiza. Seine repetitive, aber sich ständig wandelnde Struktur, der pulsierende Rhythmus und die hypnotischen Synthesizer-Arpeggios nahmen die Grundprinzipien von House und Techno vorweg. 1989 sampelten die italienischen Produzenten von **Sueño Latino** große Teile von „E2-E4“ und landeten damit einen weltweiten Club-Hit. Plötzlich war der Sound eines deutschen Krautrock-Pioniers auf den Tanzflächen der ganzen Welt zu hören. DJs und Produzenten von Carl Craig bis Ricardo Villalobos verehren „E2-E4“ als eine Blaupause für moderne elektronische Tanzmusik.

Das Vermächtnis von Ash Ra Tempel ist also das einer Band, die sich nie um Konventionen scherte. Sie waren Pioniere, die furchtlos in unbekannte musikalische Territorien vorstießen. Ihre Musik war der Klang der Freiheit, der Suche und der Transzendenz. Sie schufen nicht nur Alben, sondern ganze Klanguniversen, die auch Jahrzehnte später noch darauf warten, entdeckt zu werden. Ihr Echo hallt weiter durch den Kosmos der Musik – ein Beweis für die zeitlose Kraft ihrer Vision.

© 2024 by Franz Lemmler | Xenopolias.de

Alle Texte wurden sorgfältig recherchiert und in eigenen Worten verfasst. Dies ist eine Hommage an das Werk von Ash Ra Tempel.

Im Artikel verwendete Fotos stehen unter Lizenz von:
JanManu, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

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