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Rush

Lesedauer 11 Minuten Rush: Die umfassende Band-Biografie | Xenopolias.de

Rush: Eine Symphonie aus Zeit und Wandel


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In den bescheidenen Vororten von Toronto, inmitten der pulsierenden musikalischen Umwälzungen des Jahres 1968, wurde der Same für eine der beständigsten und einflussreichsten Rockbands der Geschichte gesät. Rush entstand nicht in einem Blitz aus Genialität, sondern formte sich langsam, organisch, aus der gemeinsamen Leidenschaft dreier junger Männer: Alex Lifeson an der Gitarre, Jeff Jones am Bass und als Sänger, und John Rutsey am Schlagzeug. Ihr Proberaum war ein Keller, ihr Sound war roh und von den britischen Blues-Rock-Titanen wie Cream und Led Zeppelin geprägt. Diese frühe Inkarnation war eine von vielen Garagenbands, die von Ruhm träumten, doch schon bald sollte sich eine entscheidende Veränderung ereignen. Jeff Jones‘ Zeit in der Band war kurzlebig. An seine Stelle trat ein Schulfreund von Alex Lifeson, ein junger Mann mit einer unverkennbaren, hohen Stimme und einer beeindruckenden Fingerfertigkeit am Bass: Geddy Lee. Lees Ankunft im September 1968 markierte den wahren Beginn der alchemistischen Formel, die Rush definieren sollte.



Die frühen Jahre und der erste Plattenvertrag

Die späten 60er und frühen 70er Jahre waren für Rush eine Zeit des unermüdlichen Tourens. Sie spielten in High-School-Turnhallen, Bars und kleinen Clubs in ganz Ontario und schärften dabei ihren Sound und ihre Bühnenpräsenz. Ihr Repertoire bestand aus einer Mischung aus Eigenkompositionen und Coverversionen ihrer Helden. Geddy Lees Gesang, oft mit dem von Robert Plant verglichen, wurde zu einem Markenzeichen, ebenso wie Lifesons von Jimmy Page inspirierte, aber zunehmend eigenständige Gitarrenarbeit. Die Band entwickelte sich langsam von einem reinen Hard-Rock-Act zu etwas Komplexerem. 1973, nach Jahren des Schufterns, beschlossen sie, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Frustriert von der mangelnden Aufmerksamkeit der großen Plattenfirmen, gründeten sie ihr eigenes Label, Moon Records. Mit einem knappen Budget nahmen sie ihr selbstbetiteltes Debütalbum auf. „Rush“, veröffentlicht im Jahr 1974, war ein geradliniges Hard-Rock-Album, das ihre Einflüsse deutlich zur Schau stellte. Ein Song jedoch, „Working Man“, sollte ihr Ticket in die USA werden. Donna Halper, eine Musikdirektorin bei einem Radiosender in Cleveland, Ohio, entdeckte den Song und spielte ihn in starker Rotation. Die Resonanz war überwältigend. Die Hörer dachten, es handele sich um einen neuen Song von Led Zeppelin. Dieser Airplay führte zu einem Plattenvertrag mit Mercury Records in den USA und markierte den ersten großen Schritt der Band auf die internationale Bühne. John Rutsey, der Schlagzeuger, der an den Aufnahmen teilnahm, fühlte sich in der schnell wachsenden progressiven Richtung, die Lee und Lifeson einschlugen, zunehmend unwohl, was zu seinem späteren Ausscheiden führte.



Ein Trio von Virtuosen: Die Mitglieder und ihre Biografien

Der Erfolg ihres Debüts brachte jedoch eine existenzielle Krise mit sich. Kurz vor ihrer ersten US-Tournee musste Schlagzeuger John Rutsey die Band aus gesundheitlichen Gründen und wegen kreativer Differenzen verlassen. Rutsey, dessen Songtexte eher geradlinig und rock’n’roll-orientiert waren, passte nicht mehr zur musikalischen Vision von Lee und Lifeson, die nach komplexeren Strukturen strebten. Die Suche nach einem neuen Schlagzeuger war dringend. Sie hielten Vorspielen ab und fanden ihren Mann in Neil Peart. Peart war anders. Er war nicht nur ein technisch brillanter und kraftvoller Schlagzeuger mit einem von Keith Moon und John Bonham inspirierten Stil, sondern auch ein belesener Intellektueller. Seine Interessen reichten von Science-Fiction und Fantasy bis hin zu Philosophie und klassischer Literatur. Mit Pearts Eintritt am 29. Juli 1974, Geddy Lees Geburtstag, war das klassische Rush-Trio komplett. Diese Besetzung sollte über 40 Jahre lang unverändert bleiben, eine Seltenheit in der Rockmusik. Peart übernahm sofort die Rolle des Haupttexters, und seine anspruchsvollen, oft konzeptionellen Texte verliehen der Band eine intellektuelle Tiefe, die sie von ihren Zeitgenossen abhob. Rutsey starb am 11. Mai 2008 an den Folgen eines Herzinfarkts, der durch Komplikationen mit Diabetes verursacht wurde.

Geddy Lee: Der singende Bassist, Produzent und Multiinstrumentalist
Geboren als Gary Lee Weinrib am 29. Juli 1953 in Willowdale, Toronto, ist Geddy Lee eine der markantesten Figuren der Rockmusik. Seine Eltern, Morris Weinrib (gestorben 1971) und Mary Weinrib (gestorben 2021), waren polnisch-jüdische Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen. Sie lernten sich nach dem Krieg kennen und wanderten nach Kanada aus. Diese Familiengeschichte prägte Lees Perspektive und seinen unerschütterlichen Arbeitsethos. Sein Künstlername „Geddy“ entstand aus der stark akzentuierten Aussprache seines Vornamens „Gary“ durch seine Mutter. Lee ist ein Multiinstrumentalist, der nicht nur für sein komplexes und melodisches Bassspiel bekannt ist, das oft gleichzeitig eine Gegenmelodie zur Gitarre spielt, während er singt und mit den Füßen Basspedale bedient. Sein virtuoser Umgang mit dem Bass ist legendär. Privat ist Lee seit 1976 mit Nancy Young verheiratet, die er bereits als Teenager kennenlernte. Das Paar hat zwei Kinder: Julian, einen Sohn, und Kyla, eine Tochter, sowie Enkelkinder. Er ist ein passionierter Sammler von Baseball-Memorabilien, bekannt für seine philanthropische Arbeit, und ein leidenschaftlicher Weinliebhaber. Sein Bassspiel wurde stark von Künstlern wie John Entwistle (The Who), Jack Bruce (Cream) und Chris Squire (Yes) beeinflusst.

Alex Lifeson: Der Architekt des Klangs und Experimentator
Geboren als Aleksandar Živojinović am 27. August 1953 in Fernie, British Columbia, ist Alex Lifeson der klangliche Architekt von Rush. Seine serbischen Eltern, Milos und Melka Živojinović, wanderten aus dem damaligen Jugoslawien nach Kanada aus, und er wuchs in Toronto auf. Lifeson ist bekannt für seine innovativen Gitarrenriffs, Soli und den breiten Einsatz von Effekten, die den Sound der Band über Jahrzehnte hinweg definierten. Er ist kein typischer „Shredder“, sondern ein Meister der Textur, der Atmosphäre und der unkonventionellen Akkorde und Soundscapes. Seine Fähigkeit, komplexe Klanglandschaften zu schaffen, gab den Kompositionen von Rush ihre epische Breite. Trotz seines Status als Gitarrenheld ist Lifeson für seinen trockenen Humor und seine bodenständige Art bekannt. Er ist seit 1975 mit seiner Jugendliebe Charlene verheiratet und hat zwei Söhne: Justin und Adrian. Er ist auch stolzer Großvater. Lifeson ist neben der Musik ein lizenzierter Pilot, ein bildender Künstler und war zeitweise Mitinhaber eines Restaurants. Im Jahr 2003 geriet Lifeson in die Schlagzeilen, als er und sein Sohn nach einer Auseinandersetzung mit der Polizei in Naples, Florida, verhaftet wurden, was zu einer Verurteilung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt führte. Trotz dieser seltenen Vorkommnisse blieb er meist außerhalb der Boulevardpresse.

Neil Peart: Der Professor am Schlagzeug und lyrisches Gewissen
Neil Ellwood Peart, geboren am 12. September 1952 in Hamilton, Ontario, und aufgewachsen in Port Dalhousie, war weit mehr als nur der Schlagzeuger von Rush; er war ihr lyrisches Gewissen und ihre intellektuelle treibende Kraft. Seine Texte, beeinflusst von Autoren wie Ayn Rand, J.R.R. Tolkien und klassischer Mythologie, befassten sich mit Themen wie Individualismus, Freiheit, Technologie und dem menschlichen Zustand. Sein Schlagzeugspiel war von einer unglaublichen Präzision, Kraft und Komplexität geprägt. Er integrierte eine riesige Auswahl an Percussion-Instrumenten in sein Kit, darunter Glockenspiele, Röhrenglocken und Crotales. Peart war eine sehr private Person, die das Rampenlicht mied. Er war bekannt für seine ausgedehnten Motorradreisen zwischen den Tourneestopps, die er in mehreren Büchern dokumentierte. Sein Leben war von unvorstellbaren Tragödien geprägt. 1997 kam seine einzige Tochter Selena Taylor (geboren 1978) bei einem Autounfall ums Leben, und nur zehn Monate später starb seine Frau Jacqueline Taylor an Krebs, was Peart als „Absicht des Lebens“ bezeichnete. Diese Ereignisse führten zu einer mehrjährigen Pause der Band. Peart heiratete später erneut, im Jahr 2000, die Fotografin Carrie Nuttall, mit der er eine weitere Tochter, Olivia, bekam. Neil Peart verstarb am 7. Januar 2020 nach einem langen, geheimen Kampf mit einem Glioblastom (Hirntumor), was das endgültige Ende von Rush als aktive Band besiegelte. Er wurde posthum von seinen Kollegen und der Musikwelt als einer der größten Schlagzeuger aller Zeiten verehrt. Pearts Vorbilder am Schlagzeug waren unter anderem Gene Krupa, Buddy Rich und später Keith Moon und John Bonham, deren Stile er zu seinem eigenen, einzigartigen Ansatz verschmolz.



Die Evolution und der epische Durchbruch mit 2112

Mit Neil Peart an Bord änderte sich der Sound von Rush dramatisch. Das zweite Album, „Fly by Night“ (1975), zeigte bereits eine deutliche Entwicklung hin zu komplexeren Songstrukturen und anspruchsvolleren Texten, wie der Fantasy-Suite „By-Tor and the Snow Dog“. Es folgte „Caress of Steel“ (1975), ein Album, mit dem die Band experimentierte und das zwei lange, epische Stücke enthielt: „The Necromancer“ und „The Fountain of Lamneth“. Das Album war ein kommerzieller Misserfolg, was die Plattenfirma Mercury Records beunruhigte. Das Label drängte die Band, einen kommerzielleren, radiotauglicheren Sound zu entwickeln. Doch die Band widersetzte sich. Ihre Antwort war das Album „2112“, eine Verneinung des kommerziellen Drucks und eine Deklaration der künstlerischen Unabhängigkeit. Sie schufen „2112“, ein Album, dessen gesamte erste Seite von einem 20-minütigen, siebenteiligen Titelstück eingenommen wird. Die Suite erzählt eine dystopische Science-Fiction-Geschichte, inspiriert von der objektivistischen Philosophie von Ayn Rand, über einen Mann, der in einer totalitären Zukunft eine Gitarre entdeckt und von der Macht der Musik und der Individualität überwältigt wird. Es war ein gewaltiges Risiko, das sich auszahlte. „2112“, veröffentlicht 1976, wurde ihr Durchbruchsalbum. Es war ein kommerzieller Erfolg und etablierte Rush als führende Kraft im Progressive Rock. Es bewies, dass es ein Publikum für komplexe, konzeptionelle Musik gab und sicherte der Band die vollständige künstlerische Freiheit für den Rest ihrer Karriere. Dies war der erste große Meilenstein, der sie aus dem Schatten ihrer Hard-Rock-Einflüsse heraushob.

Nach dem Erfolg von „2112“ betrat die Band ihre goldene Ära des Progressive Rock. Alben wie „A Farewell to Kings“ (1977) und „Hemispheres“ (1978) festigten ihren Ruf als musikalische Virtuosen. Sie experimentierten mit ungeraden Taktarten, komplexen Arrangements und erweiterten ihre instrumentale Palette um Synthesizer. Die Songs wurden länger, die Konzepte ambitionierter. Das Intro von „A Farewell to Kings“ war eine der ersten Verwendungen von Alex Lifesons zwölfsaitiger Gitarre, was einen neuen, akustischen Aspekt in ihren Sound brachte. „Hemispheres“ war so anspruchsvoll und anstrengend in der Produktion, dass die Band schwor, nie wieder ein so langes, konzeptionelles Stück zu schreiben. Diese Periode etablierte sie auch als eine der besten Live-Bands der Welt, dokumentiert auf ihrem ersten Live-Album „All the World’s a Stage“ (1976). Ein besonderes Vorkommnis auf ihren frühen Konzerten war die immense physische Präsenz, die sie als Trio auf die Bühne brachten, was oft zu Überraschung beim Publikum führte, das eine größere Besetzung erwartet hatte, um solch komplexe Musik spielen zu können.

Wandel, kommerzieller Erfolg und die Synthesizer-Ära der 80er Jahre

Mit dem Beginn der 1980er Jahre vollzogen Rush eine bewusste stilistische Wende, die den zweiten großen Meilenstein ihrer Karriere markierte. Sie erkannten, dass der ausufernde Progressive Rock der 70er Jahre an seine Grenzen stieß. Auf dem Album „Permanent Waves“ (1980) begannen sie, ihre epischen Kompositionen in kürzere, prägnantere Songformate zu gießen, ohne dabei ihre musikalische Komplexität aufzugeben. Das Album enthielt den Überraschungshit „The Spirit of Radio“, eine Hommage an das freie Radio und gleichzeitig eine Kritik an dessen zunehmender Kommerzialisierung. Der Song wurde zu einer ihrer bekanntesten Hymnen. Der Höhepunkt dieses Wandels und ihr kommerziell erfolgreichstes Album war „Moving Pictures“ (1981). Es ist ein Meisterwerk der Ausgewogenheit, das ihre progressiven Wurzeln mit einem zugänglichen, modernen Sound verbindet. Es enthält Klassiker wie „Tom Sawyer“, „Limelight“ und das Instrumentalstück „YYZ“, das zu einem festen Bestandteil ihres Live-Repertoires und einem Prüfstein für angehende Rockmusiker wurde. „Moving Pictures“ verkaufte sich millionenfach und machte Rush zu Superstars.



In den folgenden Jahren tauchten Rush tief in die Welt der Synthesizer ein. Alben wie „Signals“ (1982), „Grace Under Pressure“ (1984) und „Power Windows“ (1985) wurden von Keyboard-Texturen und elektronischen Klängen dominiert, wobei Geddy Lee seine Instrumentenwand hinter sich immer weiter ausbaute. Die Gitarre von Alex Lifeson trat oft in den Hintergrund, was bei einigen langjährigen Fans für Unmut sorgte, da sein typischer Riff-Rock-Sound durch atmosphärische Akkorde ersetzt wurde. Dennoch war dies eine Phase großer Kreativität. Die Texte von Neil Peart befassten sich zunehmend mit zeitgenössischen Themen wie Vorstadt-Tristesse („Subdivisions“), dem Kalten Krieg und dem Druck des modernen Lebens. Diese „Synthesizer-Ära“ zeigte die Bereitschaft der Band, sich weiterzuentwickeln und neue klangliche Territorien zu erkunden, anstatt sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Während dieser Zeit arbeiteten sie eng mit dem Produzenten Peter Collins zusammen, der ihren Sound für ein breiteres Publikum polierte. Sie kooperierten auch mit anderen Künstlern, wie zum Beispiel mit der Sängerin Aimee Mann von ‚Til Tuesday, die auf dem Song „Time Stand Still“ vom Album „Hold Your Fire“ (1987) zu hören war. Ein besonderes Merkmal ihrer Konzerte in den 80er Jahren war die Verwendung von Videotechnologie und riesigen, oft surrealistischen Bühnenbildern, die ihre komplexen Themen visuell unterstützten.

Rückkehr zum gitarrenorientierten Kern und die Zusammenarbeit mit Rupert Hine

Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre verspürte die Band das Bedürfnis, sich wieder einem gitarrenorientierteren Sound zuzuwenden. Nach dem kommerziell durchwachsenen „Hold Your Fire“ und der darauffolgenden Pause wechselten sie den Produzenten und arbeiteten erstmals mit Rupert Hine zusammen, der die Alben „Presto“ (1989) und „Roll the Bones“ (1991) produzierte. Hine half der Band, die Synthesizer wieder zu reduzieren und Lifesons Gitarre mehr Raum zu geben. „Presto“ zeigte eine optimistischere Seite der Band. „Roll the Bones“ war ein großer Erfolg und enthielt sogar einen Rap-Teil im Titeltrack, was die Experimentierfreudigkeit der Band erneut unter Beweis stellte und zu Diskussionen unter den Fans führte. Die Arbeit mit Hine ermöglichte es Rush, ihre Identität neu zu definieren, indem sie die Epik der 70er und die Textur der 80er in einen zeitgemäßen Rocksound überführten.

Mit „Counterparts“ (1993) und „Test for Echo“ (1996) lieferten sie, nun in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Peter Collins, zwei ihrer härtesten und direktesten Rockalben seit den frühen Tagen. Der Sound war modern, beeinflusst vom aufkommenden Alternative Rock, aber unverkennbar Rush. Sie hatten einen Weg gefunden, ihre musikalische Identität zu bewahren und gleichzeitig relevant zu bleiben. Ein wichtiger musikalischer Mentor in dieser Zeit war Freddie Gruber, ein legendärer Jazz-Drummer und Lehrer, bei dem Neil Peart Unterricht nahm. Gruber half Peart, seinen Spielstil zu lockern und ein organischeres, ’swingenderes‘ Gefühl in seine ohnehin schon technischen Rhythmen zu integrieren, was sich deutlich in Alben wie „Test for Echo“ manifestierte. Peart, ein lebenslanger Lernender, würdigte Gruber in den Liner Notes. Diese Periode war geprägt von erfolgreichen Tourneen und einer festen, loyalen Fangemeinde, die mit der Band gewachsen war.



Tragödie, die vierjährige Stille und der triumphale Abschied

Nach dem Ende der „Test for Echo“-Tour im Jahr 1997 traf Neil Peart eine unvorstellbare Tragödie, die die Existenz der Band in ihren Grundfesten erschütterte. Am 10. August 1997 kam seine 19-jährige Tochter Selena Taylor bei einem Autounfall in der Nähe von Toronto ums Leben. Die Band und die Familien waren am Boden zerstört. Während sie versuchten, mit diesem Verlust umzugehen, schlug das Schicksal erneut zu. Neils Frau, Jacqueline Taylor, bei der kurz darauf Krebs diagnostiziert wurde, verlor jeden Lebenswillen und starb nur zehn Monate später, am 20. Juni 1998, an den Folgen ihrer Krankheit und tiefen Depression. Peart war ein gebrochener Mann. Er teilte seinen Bandkollegen Geddy Lee und Alex Lifeson mit, dass sie ihn als „pensionierten Schlagzeuger“ betrachten sollten. Für Rush schien das Ende gekommen zu sein.

Peart begab sich auf eine lange „Heilungsreise“ mit seinem Motorrad, die ihn über 55.000 Meilen durch Nord- und Mittelamerika führte. Er verarbeitete seine Trauer, indem er seine Erlebnisse im Buch „Ghost Rider: Travels on the Healing Road“ niederschrieb. Während dieser Zeit gaben ihm Lee und Lifeson den Raum, den er brauchte. Sie übten keinen Druck aus, zur Musik zurückzukehren. Die Zukunft der Band war ungewiss. Langsam, nach mehreren Jahren, begann Peart, sein Leben neu zu ordnen. Er lernte die Fotografin Carrie Nuttall kennen, die er im Jahr 2000 heiratete, und das Paar bekam 2009 eine Tochter, Olivia. Mit neuer Kraft und einer neuen Perspektive fühlte er sich schließlich bereit, wieder Musik zu machen.

Die Band kam wieder zusammen, und das Ergebnis war das Album „Vapor Trails“ (2002). Es war ein rohes, emotionales und kraftvolles Album, das die Wiedergeburt der Band markierte. Der Sound war absichtlich frei von den komplizierten Arrangements früherer Alben, eine direkte Reaktion auf ihre jüngste Vergangenheit, wobei der Fokus auf ungefilterter Energie lag. Die anschließende Tournee war ein triumphaler Erfolg und ein emotionales Wiedersehen mit ihren Fans. In den folgenden Jahren veröffentlichten Rush weitere Alben, darunter „Snakes & Arrows“ (2007) und ihr letztes Studioalbum „Clockwork Angels“ (2012), ein ambitioniertes Steampunk-Konzeptalbum, das von Kritikern und Fans gleichermaßen gefeiert wurde. Sie tourten ausgiebig, wobei die R30-Tour 2004 und die R40-Tour 2015 besondere Meilensteine darstellten, die die Langlebigkeit der Band feierten.

Die längst überfällige Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame im Jahr 2013, wo sie von den Foo Fighters eingeführt wurden und eine bewegende Rede hielten, war ein weiterer Höhepunkt. Ihre letzte große Tournee, R40, fand 2015 statt und feierte ihr 40-jähriges Jubiläum. Neil Pearts zunehmende körperliche Beschwerden durch chronische Sehnenentzündungen machten das anstrengende Schlagzeugspiel immer schmerzhafter. Das letzte Konzert der Tour am 1. August 2015 in Los Angeles war, ohne dass es offiziell angekündigt wurde, ihr letzter gemeinsamer Auftritt. Mit dem Tod von Neil Peart im Januar 2020 endete die Geschichte von Rush endgültig, aber ihr musikalisches Vermächtnis, das auf Integrität, Virtuosität und unermüdlicher Weiterentwicklung beruht, wird für immer weiterleben.



Karriere im Überblick: US-Chart-Positionen

Diese Grafik zeigt die höchsten Chart-Positionen der Studioalben von Rush in den US-amerikanischen Billboard 200 Charts. Sie visualisiert die kommerziellen Höhen und Tiefen einer vier Jahrzehnte umspannenden Karriere und verdeutlicht besonders den Höhepunkt ihres Erfolgs in den frühen 80er Jahren sowie ihre beständige Präsenz in den Top-Rängen bis zum Schluss.

Interaktive Diskografie

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Quellangaben

Die Informationen in diesem Artikel wurden aus einer Vielzahl von öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragen, um eine umfassende und genaue Biografie zu gewährleisten. Dazu gehören unter anderem:
– Die offizielle Wikipedia-Enzyklopädie (Englisch und Deutsch) für grundlegende Daten, Diskografie und Zeitlinien. – „Rush: Beyond the Lighted Stage“ – Dokumentarfilm, 2010. – „Ghost Rider: Travels on the Healing Road“ von Neil Peart – Buch, 2002. – Diverse Interviews und Artikel aus Musikmagazinen wie „Rolling Stone“, „Classic Rock“ und „Modern Drummer“ aus den Archiven. – Biografische Inhalte von Musikdatenbanken wie AllMusic.com.

Titelfoto: Enrico Frangi, Public domain, via Wikimedia Commons

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